Montag, 7. Mai 2007

Unter dem Immaculata-Banner (Von Pfarrer Robert Mäder)

Prälat Mgr Robert MäderZum Bild: Pfarrer Robert Mäder in Basel zwischen Kirche und Pfarrhaus

Kardinal Gibbons pflegte zu sagen: Man darf nicht zurückschauen. Die Frau des Loth hat zurückgeschaut und sie kam um. Zurückschauen heißt stehenbleiben, also aufhören vorwärts zu gehen. Das ist der Anfang vom Ende. Die Jungen, das sind die, die vorwärts schauen. Kardinal Gibbons hat noch etwas gesagt: Wenn man einmal ein gewisses Alter erreicht hat, dann muß man viel mit den Jungen verkehren, damit man jung bleibt. Die Jungen haben Pläne, Hoffnungen, Zukunftswillen. Die Jungen glauben an das Morgen und Übermorgen. Die Jungen leben in der Erwartung großer Dinge.
Das Wahrzeichen dieses katholischen Zukunftwillens ist die Fahne. Eine Fahne ist mehr als ein Stück gestickter Seide. Sie ist ein Programm. Ein Sinnbild von dem, was man zu tun gedenkt. Die Jugend darf sich nicht lange besinnen, was sie auf ihre Fahne schreiben will. Ein Franzose hat einmal gemeint: "Alle katholischen Unternehmungen, die verkrachen, verkrachen, weil zu wenig von Maria in ihnen ist." Also zu wenig von der Schlangenkopfzermalmerin. Zu wenig vom Sonnenweib, von der Immaculata. Die Fahne der katholischen Jugend, der Christkönigsjugend von morgen, muß deswegen das Marienbanner sein. Das Banner der Reinheit. Voraussetzung für die Erfolge der Kommenden ist nicht nur ein tapferes Schwert, sondern auch ein blanker Schild.
Heut spricht alles nur noch vom gesunden und starken Leib. Unter dem gesunden und starken Leib kann ein moralischer Schwächling und ein grundsatzloser Feigling stecken. Darum wählt die katholische Jugend als Fahnenbild nicht irgendeinen Kraftmenschen, sondern die allerreinste, die Immaculata. Wichtiger als der starke und gesunde ist der reine Mensch.
Die Immaculatafahne als Jugendbanner ist ein grundsätzliches Bekennntis in der Frage der Leibeskultur. Was wir auf dem Gebiete der Leibeskultur durchgemacht haben, das ist nicht eine bloße Zeitströmung. Es ist eine Umwälzung. Eine Revolution wie 1789. Eine Revolution des Fleisches gegen den Geist, des Leibes gegen die Kirche. Der Leib schüttelt die alten moralischen Grundsätze der Kirche ab und setzt sich, Papst und König zugleich, eigenmätig die Krone aufs Haupt. Wenn nicht alles täuscht, dann wird, wie am Vorabend der Sintflut, die nächste Zukunft dem Fleisch gehören.
Da wird das Banner der Immaculata als Jugendbanner zum Zeichen der Scheidung und Entscheidung. Man muß heute wählen. Entweder die alte katholische Auffassung oder die moderne heidnische Auffassung vom Leibe. Entweder das Evangelium des Kreuzes auch für den Leib oder das Evangelium des schrankenlosen Genusses. Entweder die Seele als Herrin und der Leib als Diener oder umgekehrt der Leib als Herr im Hause und die Seele als Magd. Entweder gehen wir nach dem Vorbilde Marias auf dem Weg des Opfers hinauf zur einstigen Himmelfahrt des Leibes, oder wir gehen nach dem Vorbild der Welt hinab auf dem Weg des Genusss zur einstigen Höllenfahrt des Leibes.
Noch einmal: man muß wählen! Es ist ein radikaler, unüberbrückbarer Gegensatz zwischen der katholischen Auffassung und der modernen Auffassung vom Leibe, zwischen der der Immaculata, der katholischen Heiligung und aller edlen Seelen, und der der modernen Plakatsäulen, der Schaufenster, der Kinos und Variétés und der emanzipierten Modeweiber.
Wenn man wissen will, was der Leib des Menschen ist, muß man nicht nur den Naturforscher und den Arzt fragen, sondern vor allem den Heiligen Geist. Was der Leib ist, steht bei Paulus im ersten Korintherbrief: Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt? (6, 19.) Die Verirrungen der modernen Leibeskultur haben ihre Ursache darin, daß wir diesen Satz nicht Tag und Nacht mit uns herumtragen, und daß wir in Beziehung auf den Leib mehr auf die Wissenschaft als auf die Bibel hören. Mit dem Glauben an den Leib als Tempel des Heiligen Geistes steht und fällt im gewissen Sinn die ganze christliche Kultur.
Wenn der Leib des Menschen, der im Stande der heiligmachenden Gnade sich befindet, ein Tempel des Heiligen Geistes ist, dann ist die Eigentumsfrage in bezug auf den Leib entschieden. Der Leib ist Gottes! Paulus schreibt darum auch ausdrücklich. Der Leib ist für den Herrn! (I. Kor. 6, 13.) Jedes Glied hat gottesdienstlichen Zweck, d.h. es hat die Aufgabe, in seiner Art, den Willen des Allerhöchsten zu erfüllen, der alleiniger und ausschließlicher Besitzer und Bewohner des Menschenleibes ist.
Die Glieder des Leibes sind nicht souverän, weder das Auge noch die Zunge noch der Magen noch der Fuß noch die Hand noch irgend ein anderes Organ. Sie haben kein Selbstbestimmungsrecht. Sie dürfen nicht machen, was sie wollen. Ihr Souverän, Eigentümer und Hausherr ist der Heilige Geist, dem sie für jede Bewegung verantwortlich sind. Hier gilt die absolute Monarchie! Der Leib ist Gottes! Der Leib ist für den Herrn! Darum auch bei den körperlichen Handlungen alles zur größeren Ehre Gottes! Alles, weil und wie Gott es will! Alles in Gottes Dienst! Alles! Auch Arbeit, Ernährung, Erholung! Alles! Der Leib ist Gottes! Mit jeder Faser ein Reich des Heiligen Geistes!
Daraus folgt das andere: Der Leib ist ein Heiligtum! (I. Kor. 3, 17.) Das ist nicht bloß fromme Phrase. die Heilige Schrift hat keine Phrasen, sondern nur ewige, unfehlbare Wahrheiten. Die Tatsache, daß der Heilige Geist wirklich, wahrhaft und wesentlich mit Seiner Gnade in uns wohnt, verlangt, daß wir dem Leibe des Christen die gleiche Ehrfurcht entgegenbringen wie der Kirche, die Gott dem Herrn geweiht ist und das Allerheiligste im Tabernakel trägt. Darum keine Profanation des Leibestempels! Keine Tempelentweihung! Jede Sünde am Leibe des Getauften ist Tempelentweihung und darum größer als die Sünde am Leibe des Nichtchristen. Hausfriedensbruch gilt als Vergehen. Umsomehr ist Schändung eines Gotteshauses unter gesitteten Menschen eine gemeine Tat.
Wir wissen deswegen, was wir von der Entweihung des wandelnden Heilig-Geisttempels, des menschlichen Leibes, zu halten haben. Es ist ein Verbrechen im wirklichen Sinne des Wortes und wir staunen nicht mehr, wenn wir von Paulus, dem Anwalt und Apostel der christlichen Menschenwürde, das furchtbare Wort hören: Wenn jemand den Tempel Gottes entheiligt, wird ihn Gott zugrunde richten. Denn der Tempel Gottes ist heilig und der seid ihr (I. Kor. 3, 17). In diesem Lichte müssen wir als Christen den Leib und die Sünde gegen den Leib betrachten - mit den Augen des Glaubens. Unsittlichkeit ist in diesem Lichte Profanation, Tempelentweihung, Gottesraub, Sünde wider den Heiligen Geist.
Man hat während des Krieges von Barbarei gesprochen, wenn eine schöne Kirche verwüstet wurde. Die Barbarei bestand nicht so sehr in der Verwüstung eines Kunstwerkes als in der eines Gotteshauses. Jede Verführung steht auf der gleichen Stufe der Barbarei. Sie ist Zerstörung eines Heiligtums, das keinen Künstler, sondern Gott selbst zum Baumeister hat, das nicht von einem Bischof, sondern vom Heiligen Geist konsekriert worden ist, und das vom Geist der Wahrheit, der Liebe und der Heiligkeit selber bewohnt wird.
Der Leib ein Heiligtum! Was ist in diesem Lichte moderne Mode und Vergnügungssucht? Wenn der Leib im Stande der Gnade ein Tempel des Heiligen Geistes ist, was ist dann von diesen sinnlichen, auf unseren Straßen herumlaufenden Figuren zu halten, die nicht mehr wie lebendige christliche Tempel, sondern wie heidnischen Götzenbilder der Venus aussehen? Die schamlose Mode ist eine Profanation der Menschen- und der Christenwürde, eine Verdirnung und Schändung des Tempels des Heiligen Geistes. Was ist vom schamlosen Tanz zu sagen? Er ist eine Säkularisierung, eine Verweltlichung, eine Entweihung des christlichen Leibes!
Wie kann man heutzutage überhaupt etwas auf diesem Tanzen halten, wenn man von seinem Leibe diese erhabene durchaus religiöse Auffassung hat wie sie Paulus in seinen Briefen fordert? Vor Jahren hat der Erzbischof von Cincinnati ein Hirtenschreiben erlassen. Er sagt darin: Es kann nicht geleugnet werden, daß selbst die ehrenhaftesten Tänze eine Gefahr für die Seele sind. Eltern die ihre Kinder in Sittsamkeit und Reinheit der Seele erhalten wollen, werden ihnen niemals die Teilnahme an gefährlichen Maskenbällen erlauben. Das ist selbstverständlich. Wie kann sodann etwas, das eine Gefahr ist für das Christentum, zur Förderung der Nächstenliebe und der Interessen der Religion dienen? Das Christentum macht auf dem modernen Tanzboden keine Eroberungen. Die Religion des Gekreuzigten kann dort nur Niederlagen holen. Die Tempel des Heiligen Geistes haben anderes zu tun!
Man mag von Gesundheitspflege, Sport, Mode, Kunst reden, auf dem tiefsten Grunde der Diskussion wartet schließlich immer die grundsätzliche Frage: Wie denkt ihr vom menschlichen Leibe? Ist euch der Leib des Mannes und der Frau ein von Gott geschaffenes, wenn auch durch die Erbsünde erschüttertes Kunstwerk, ein durch das Mysterium der Gnade geheiligter Tempel der dreieinigen Gottheit, für den immer und überall und ausschließlich Gottes Gesetze maßgebend sind? Oder ist euch der Leib nur Spiel- und Genußsache, nur Objekt gemeiner Neugier und unreiner Lust? Nur Fleisch?!
Noch einmal: Es geht bei all diesen Fragen nicht bloß um Modeanschauungen. Es geht um Sein oder Nichtsein der menschlichen Gesellschaft, darum, ob die Menschen Menschen, Gottestempel bleiben. Was auf diesem Gebiet vor sich geht, ist nicht bloß Zeitströmung. Es ist Umwälzung der Gesetze des Anstandes, der Schicklichkeit und Sittlichkeit. Es ist Revolution! Wenn aber Revolutionszustand ist und der Staat sich ohnmächtig fühlt, die Ordnung aufrecht zu erhalten, dann ist jeder Bürger Soldat.
Die Fahne ist kein Spielzeug. Die Fahne der Schlangenkopfzermalmerin erst recht nicht. Hört nur das Weihegebet der Kirche: "Herr Jesus Christus, dessen Kirche wie eine geordnete Schlachtfront, segne diese Fahne, damit alle, die unter ihr Dir, dem Herrn der Heerscharen Kriegsdienst leisten, durch die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau ihre sichtbaren und unsichtbaren Feinde in dieser Welt niederringen und nach dem Siege im Himmel zu triumphieren verdienen, durch Dich, Jesus Christus." Unter der Fahne stehen ist Kriegsdienst! Die katholische Jugend darf nicht bloß frohe Feste feiern. Sie muß in den Kampf ziehen gegen alles Gemeine, alles Freche, alles Schmutzige, wo immer es sein Haupt erhebt.
Vor einiger Zeit konnte man in den Straßen von Mühlhausen Plakate sehen, die jedem Anstandsgefühl Hohn sprachen; die katholischen Jünglingsvereine von Mühlhausen und Umgebung nahmen in einer Versammlung Stellung dazu und faßten eine Resolution in welcher die zuständigen Behörden ersucht werden, einzutreten für moralische Sauberkeit der Straßen, Kioske und öffentlichen Lokale. Im Anschluß an die Versammlung begaben sich die Teilnehmer in die Stadt und rissen die skanalösen Plakate gewaltsam von den Mauern und den Plakatsäulen weg.
Gibbons Wort soll wahr werden: Die Jugend schaut vorwärts. Sie sonnt sich nicht träge auf den Lorbeeren errungener Erfolge. Sie lebt in der Erwartung großer Dinge, die noch zu tun sind. Eine solche Zukunftsaufgabe, die auf unsere Jugend wartet, ist der Kampf gegen Schmutz und Gemeinheit in allen Formen. Katholische Jugend! Vorwärts unter dem Banner der Immaculata. Es lebe die Tat!

Pfarrer Robert Mäder in "Mit Maria in die neue Zeit", Verlag Nazareth / Basel (Schweiz) - Mit kirchlicher Druckerlaubnis des Ordinariates Basel vom 14. April 1939

Daraus noch das VORWORT:

Der Führerin

Das vor Jahresfrist erschienene Bernadot-Buch "Maria und ich" hat mit unwiderstehlicher Klarheit den Beweis geleistet, daß die allerseligste Jungfrau nach dem Leben Jesu die vollkommenste Schule der Vollkommenheit ist.
Mit dieser neuen Schrift wollen wir nachweisen, daß Maria, weit entfernt veraltet zu sein, von höchster zeitgestaltender Aktualität ist. Es wird kaum ein modernes Problem geben, für das sie nicht Antwort und Lösung bedeutet.
Weil wir an die neue Zeit glauben, glauben wir, daß sie, nach einem geistigen Weltgesetz uns durch Maria kommen wird. Durch die marianische Totalität werden wir zur katholischen Totalität gelangen.
Es scheint uns Zeitnotwendigkeit zu sein, Maria der modernen Welt in diesem Lichte zu zeigen. Nicht schulmäßig, sondern aus dem Leben fürs Leben.
Basel, am 18. Januar 1939. - Robert Mäder, Pfr.

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