Gott sucht Seelen, die keine andere Haltung mehr kennen als diese: ausgespannt, aufgeschlossen, aufgetan, dürstend nach ihm, harrend auf ihn, bereit für ihn... Diese Hingabe ist das Höchste, was eine Menschenseele überhaupt zu leisten vermag. Sie ist die gewaltigste Torheit der Liebe, die sich begehen lässt, ist Torheit ohnegleichen, ist schrankenlose Liebe. Hingabe in diesem Maße ist etwas, das weit, unendlich weit über die natürliche Großmut der Menschennatur hinausliegt. Hingabe in diesem Grade ist nichts anderes mehr als... der Wille zum Gemartertwerden, zum Gekreuzigtwerden zum mystischen Tode, zu einer Seelennacht und Seelennot und Seelenqual ohne Vergleich, ist Bereitschaft zum Teilhaben am Leiden Christi selbst, ist die Bereitschaft zum Mit-leiden, zum Mit-erlösen, zum Mit-geopfertwerden, zum Mit-sterben mit ihm..., auf dass Seelen gerettet werden.
Wahrhaft erschreckend ist die Gewalt der Liebe solch einer von höchster Gottesleidenschaft erfassten Seele; erschreckender noch ist die Antwort, die aus dem Herzen Gottes wie loderndes Feuer ihr entgegenschlägt. Gott sucht solche Seelen, und wo er sie findet, da liebt er sie mit solcher Glut der Liebe, als hätte er seinen eingeborenen Sohn ein zweitesmal in Gestalt eines Menschen vor sich, um seine geheimnisvollen Pläne von neuem an ihm zu erfüllen.
Es ist kaum auszudenken, was eine Seele vermöchte, eine einzige Seele, die dem göttlichen Willen so ganz hingegeben wäre, restlos, schrankenlos, bedingungslos, auf dass er tue mit ihr, was und wie es ihm gefällt. Eine Seele, von der er weiß: sie wird durchhalten in allen Drangsalen, sie wird standhalten in allen Prüfungen, sie wird nicht wanken, nicht irrewerden, wird nichts zurücknehmen; sie wird so ganz das Abbild seines Vielgeliebten sein, wird so ganz seine Sprache sprechen; sein allzeit tapfer zustimmendes: "Ja, Vater, so sei es!" sein von tiefster Leidenssehnsucht durchbebtes und heimlich frohlockendes: "Siehe ich komme, deinen Willen zu erfüllen!" sein demütig unterwürfiges: "Nicht wie ich will...!" sein vertrauensvoll sich bergendes: "In deine Hände...!" Nein, es ist nicht auszudenken, was eine einzige Seele vermöchte, die den Mut hätte, auf die Annehmlichkeiten dieses Erdenlebens zu verzichten, die den Mut hätte, alles zu lassen und zu verlassen, alles zu opfern, alles zu tragen, alles zu leiden und allzeit in Bereitschaft vor ihm zu stehen mit einem schlichten: "Mir geschehe..."
Was muss ich tun, wenn ich zu der kleinen Schar dieser mutigen Seelen gehören will? - Tun? - Nichts! Nur geschehen lassen, nur hingegeben sein an Ihn.
Die Mächte der Finsternis sind am Werke. An allen Ecken und Enden lodert die Welt auf in furchtbarstem Gotteshasse. Weit sind die Tore der Hölle geöffnet für den Widersacher von Anbeginn und seinen Anhang. Aber: "Eine gekreuzigte Seele ist stärker als tausend Höllen!!" Denken wir es durch: Eine Seele..., eine einzige Seele..., eine gekreuzigte Seele... Stärker ist sie als die Hölle..., stärker ist sie als tausend Höllen!! (Bekenntnis eines Dämons.)
Gebet mir zehn Seelen der vollkommenen Hingabe, zehn, die den Gedanken der Hingabe bis in seine letzte erschütternde Tiefe erfassten und lebendig in sich gestalten, zehn Seelen, die den Mut haben, alles für Christus zu wagen, und - - - wir werden den Zorn Gottes besänftigen, wir werden die Welt vom Untergang erretten.
Ihr Opferseelen, ihr Sühneseelen, ihr Seelen der vollkommenen Hingabe, wo seid ihr??
Ich rufe diese Frage hinaus in die Nacht unserer Bedrängnis; im Namen Jesu, des Gekreuzigten, rufe ich euch. Lasst meinen Ruf nicht ungehört verhallen!!
Annette di Rocca
Nihil obstat: J. Desfosses, libr. censor. Imprimatur: Friburgi Helv., die 1 decembris 1952. L Waeber, vic. gen. - Kanisius-Verlag Konstanz / Baden - Freiburg / Schweiz.
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