Samstag, 19. Juli 2008

Hymnen zur Verehrung des Heiligen Joseph - Erklärung und Erwägung

Der Sänger des Vesperliedes ruft Himmel und Erde auf zum Preise der Verdienste des hl. Joseph (clarus meritis). Unter allen Verdiensten rühmt der Sänger zuerst jene Tugenden, die das zarte Band der Liebe zu seiner Braut betreffen.
Mit Wärme und Bewunderung hat auch der hl. Franz von Sales in einer Konferenzrede von diesen Tugenden gesprochen, von der Jungfräulichkeit, von der Demut und vom Starkmut. Junctus casto foedere Virgini (durch ein keusches Band mit der Jungfrau verbunden). Der hl. Franz erinnert an das hohe Lied, wo zum Schutze der Braut eine seltsame Brustwehr aufgeführt wird. So ist in jungfräulicher Ehe der hl. Joseph seiner Braut Schutz und Stärke. Der hl. Augustin nennt die jungfräuliche Ehe das vinculum matrimoniale von Maria und Joseph (de nuptiis et concupiscentia 1. 1, 12). Beide schlossen eine wahre Ehe: sie geben einander ihre Jungfräulichkeit. Keines der beiden Eheleute hat das Verfügungs- und Bewahrungsrecht der eigenen Jungfräulichkeit, sondern über die des andern Ehegatten. Das Wesen ihrer ehelichen Treue besteht im Rechte die gegenseitige Jungfräulichkeit zu behüten. Auf diesem gegenseitigen Recht- und Pflichtenverhältnis beruht auch das Wesen ihrer ehelichen Liebe. Der Affakt der Liebe ist um so erhabener, je höher sein Gegenstand ist, die Schönheit der Seele. Beide sind wie Bossuet sagt, gleich zwei Sternen, die nur zusammenkommen, damit ihre Lichtstrahlen sich vereinen. Als pater matrimonialis Christi, d. h. als Familienvater Christi genießt der hl. Joseph eine so hohe würde, dass, abgesehen von der Gottesmutterschaft, eine höhere nicht zu denken ist. Er ist nicht nur Lebensgefährte Mariä, Zeuge ihrer Jungfräulichkeit, Hüter ihrer Ehre, nein sogar Teilhaber ihrer hohen Würde auf Grund seines Ehebundes (Leo XIII. a.a.O.). Der himmlische Vater hat seine Vaterrechte auf den hl. Joseph übertragen. Darum weist Bossuet auf die Worte des hl. Paulus hin (Hebr. VII, 3), wo es von Christus heißt: "sine patre". Der Vater im Himmel hat sich in gewissem Sinn der Ausübung seiner Vaterrechte zu Gunsten des hl. Joseph entäußert. Doch diese hohe Würde brachte auch ihre schwere Bürde. Ahnen lässt uns das der Sänger schon in der 2. Strophe seines Liedes. "Almo cum tumidam germine conjugem admirans, dubio tangeris; leise nahen sich dir Zweifel ob deiner Braut." Bossuet gesteht, nie sei ein Verdacht bescheidener, nie ein Zweifel rücksichtsvoller, aber auch nie so berechtigt gewesen, so dass die Aufklärung von oben wohl zu verstehen sei. Wenn die Gesinnung des hl. Bräutigams nicht so grad gewesen wäre, wenn er nur halb und halb gottverbunden gewesen wäre, so hätte er nicht ganz gottergeben bleiben können. Auf dem Grunde der Seele wäre eine Wunde geblieben und durch einen Zweifel wäre seine Liebe zur hl. Braut für immer ins Wanken gekommen. Aber sein Herz hat in Einfalt Gott gesucht. Sein Glaube war größer als der Abrahams. Dieser glaubte an die Geburt einer unfruchtbaren Frau (Gen. XV, 6). Joseph aber glaubte an das Geheimnis einer fecunda integritas, einer unversehrten, jungfräulichen Fruchtbarkeit. An ein großes Verdienst des hl. Joseph rührt also die 2. Strophe! Die Heilige Schrift sagt: "Dura sicut infernus aemulatio (Cant. VIII, 6); hart wie die Hölle ist die Eifersucht." Aber dieses harte Ungeheuer vermochte nichts über Joseph. Daher kam ihm Gott zu Hilfe. Ein Engel belehrt ihn, dass das Kind durch den Heiligen Geist empfangen ist. Bossuet beruft sich auf ein Wort des großen Kirchenlehrers Petrus Chrysologus: "Merito responsum subvenit mox divinum, cui humano deficiente consilio justitia non defuit: Aufschluss vom Himmel verdiente wohl der, der ohne Aufschluss auf Erden, doch nicht ohne Gerechtigkeit war."
Vom Sieger über die stärkste Leidenschaft verlangt Gott noch mehr. Die dritte Strophe zeigt Joseph in Bethlehem, Aegypten, in Jerusalm "miscens gaudia fletibus", "wo manche Träne in den Becher seiner Freude fiel". Das Kind aus dem unversehrten Schoße seiner Braut nimmt er als das eigene an. Jesus ist die Frucht, die Zierde, das Geschenk der hl. Jungfräulichkeit Mariä. "Sanctae Virginitatis fructus, decus et munus" (Flugentius). Die Reinheit war der Grund, warum Maria dem Vater des Himmels gefiel. Die Reinheit war der Grund, warum der Heilige Geist sie überschattet hat. Die Jungfräulichkeit hat sie fruchtbar gemacht. Wenn aber diese Reinheit sie fruchtbar gemacht, dann hat Joseph an diesem Wunder Anteil, weil die engelgleiche Jungfräulichkeit das dem hl. Joseph von Gott anvertraute und rein bewahrte Gut war (depositum). Die Leiden treffen das Herz des hl. Joseph so gut wie das der Jungfrau-Mutter. So in Bethlehem, in Aegypten und in Jerusalem, wo das Wort gilt: "Siehe dein Vater und ich, wir haben dich mit Schmerzen gesucht." Doch diesen waren, wie die vierte Strophe schildert, seltene Freuden beigemischt. "Vivens Superis par frueris Deo, mira sorte beatior." Joseph hat in der Einfalt seines Herzens Gott gesucht, er hat, losgelöst vom Irdischen, Gott gefunden, er hat in der Zurückgezogenheit sich an Gott erfreut. Joseph besaß in seinem Hüttchen ein Kleinod, um das ihn die ganze Welt hätte beneiden können. Er besaß den Gottmenschen Jesus. Und er schwieg. Er ist Zeuge des größten Geheimnisses (Mysterium). Er freut sich dessen, ohne es zu verraten. Er wusste um die Geburt des Jesuskindes und um seine Sendung. Welcher Vater hätte sich nicht eines solchen Sohnes gerühmt? Joseph hörte die Hirten, die hl. drei Könige, er hörte den greisen Simeon. Joseph aber hütet gewissenhaft das ihm anvertraute Mysterium. Die Liebe zum verborgenen Leben hat eine Quelle. Sie heißt Demut. Heroische Demut hat dem hl. Joseph schon auf Erden den Himmel erschlossen. Ein wunderbares Los! Zu Lebzeiten mit den Seligen des Himmels sich messen zu können!
Zwei Bitten an die Heiligste Dreieinigkeit krönen den Hymnus: die Bitte um die Gnade der Verzeihung und die zweite Bitte auf Grund der Verdienste des hl. Joseph in den Himmel zu kommen, auf dass wir endlich ein gottgefälliges Lied anstimmen, das nimmer verklingt. Mit einem Hinweis auf die Verdienste Josephs begann, mit einem Hinweis auf sie schließt der Hymnus.
Im Vertrauen auf die Verdienste des hl. Joseph wagten wir uns bis vor den Thron Gottes. Der Hymnus der Mette ist eine hübsche Begründung dieses Vertrauens. Sie enthüllt uns die Macht des Heiligen .Er ist eine Zierde des Himmels (Coelitum decus) eine zuverlässige Hoffnung auf Erden (Certa spes vitae) und eine Stütze in der Welt (columenque mundi). Im Einklang mit dieser dreifachen Würde steht in der folgenden Strophe eine dreifache Bürde, die St. Joseph gewissenhaft getragen hat. Die Lilie in der Hand des hl. Joseph hat ihre symbolische Bedeutung. Die erste Würde und Bürde, die er Weltenschöpfer (Sator rerum) dem Heiligen zugedacht hat, nennt die zweite Strophe mit den Worten "pudicae Virginis sponsum: der keuschen Jungfrau Bräutigam".
Im Leben ist christliche Jungfrauschaft eine Nachahmung der Engel. Der hl. Augustin sagt daher von den christlichen Jungfrauen: "habent aliquid jam non carnis in carne: sie haben im Fleische etwas, das schon nicht mehr Fleisch ist". Die Jungfrauschaft nähert sich im christlichen Leben dem Geiste. Als ein Mittelding zwischen Fleisch und Geist kann sie Brücke für den höchsten Geist sein. "Verbum caro factum est: Das Wort ist Fleisch geworden." Für die Menschwerdung des ewigen Wortes eignet sich nach den Worten des hl. Ambrosius (Hymnus in nocte Natalis Domini) die Geburt aus der Jungfrau. Der Prophet Isaias hat sie vorhergesagt (Is. VI, 14) und das Evangelium verkündet ihre Erfüllung (Luc. II, 11). So hoch steht Maria in ihrer Würde als Jungfrau und Joseph ist erkoren von Gott ihre reine Jungfrauschaft unter dem Schleier der Ehe zu hüten. Maria und Joseph schenken sich einander. Maria hat das Recht, die Reinheit Josephs zu bewahren und Joseph hat das Recht Mariä reine Jungfrauschaft zu beschützen. Aus der patria potesta des Mannes ergibt sich das Recht auf das Kind. "Voluit Verbi te patrem dici." Gott wollte, "dass du hl. Joseph Vater des ewigen Wortes heißest". Nicht allein das Volk nannte Joseph den Vater Jesu, sondern auch Maria (Luc. II, 48). Durch den göttlichen Erlöser ist Joseph die zuverlässige Hoffnung unseres Lebens (certa spes nostrae vitae). Diese Hoffnung erfüllt sich, indem Joseph mitwirkt am Wohle des Jesuskindes, was die dritte Strophe so wunderbar schildert. Die Auszeichnung vor allen Propheten (vates) gibt Joseph wohl Freude, nimmt ihm aber seine Demut nicht (humilisque natum numen adoras). Den Lohn für diese Demut zeichnet die vierte Strophe: Himmel und Hölle anerkennen seine Größe: "Rex Deus, regum se tibi subdit: der König der Könige, Gott, unterwirft sich dir!" Der Hymnus schließt mit einer Bitte an die Heiligste Dreifaltigkeit wie in der Vesper.
Ein Hymnus vom "frohen Sterben" tönt in den Morgen des 19. März hinein: "Iste, quem laeti colimus fideles: Joseph, den wir gläubig jubelnd ehren", "hac die meruit perennis gaudia vitae: er ging heute zur verdienten Freude ewigen Lebens ein." Das ist der Grundakkord auf den Lippen des Sängers. Man möchte meinen, er wäre selber Zeuge dieses "frohen Sterbens" gewesen. So ergriffen besingt er den einzigartigen Tod im Hause der Heiligen Familie. Keine Lerche schwingt sich am frühen Moren so jubelnd der Sonne entgegen, wie St. Joseph zum Himmel steigt. "Ihm war höchstes, irdisches Glück beschieden. War doch auch sein Sterben umsonnt von Frieden: Jesus mit Maria gab ihm den letzten Segen hienieden." Von einem tränenumflorten Blick ist keine Rede in der zweiten Strophe. "Astiterunt ore sereno: ohne umwölkte Stirne standen sie bei." Einst in Naim war Jeus von Mitleiden gerührt an der Bahre des toten Jünglings (Luc. VII, 13). Am Grabe des Freundes Lazarus weinte Jesus (Joh. XI, 35). Dem sterbenden hl. Joseph stehen die Jungfrau und Christus "ore sereno" bei, "mit ungetrübtem Blick". Die Gründe führt die dritte Strophe an. St. Joseph ist Sieger über den Tod, der Bande des Leibes ledig, schläft er sanft hinüber "ad sedes aeternas: zum ewigen Throne", zur unverwelklichen Krone. Nie wird ihm der Kranz um die Schläfen verblühen. Darum setzen die Bitten des Hymnus in der vierten Strophe schon ein. Im Angesichte des großen Toten schweigen irdische Wünsche. Der Gerechte, der kein "mea culpa" zu bekennen hatte, möge uns Verzeihung unserer Schuld erlangen und ewigen Frieden erflehen. Dem trostreichen Schutzherrn der Sterbenden können wir nichts Besseres im Hymnus vorbringen. Darum gibt die Schlussstrophe dem Dreieinen die Ehre, der seinen treuen Diener "omne per aevum" durch alle Ewigkeit so herrlich belohnt. Würdiger könnte das "Lied vom frohen Sterben" des hl. Joseph nicht verklingen.

Hymnen zur Verehrung des Hl. Joseph im Brevier. Übersetzung, Erklärung und Erwägung von Prof. Dr. C. Kündig. Rex-Verlag, Luzern. Mit kirchlicher Druckerlaubnis des Ordinariates Basel vom 9. März 1946.

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